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Über Briefkästenfirmen und Steuerbehörden

von William Tovarovski & Thomas Vollmuth

Europa erlebt gerade eine Krise nach der anderen. Eine herausfordernde Aufgabe, die vor allem viel Geld kostet. Und es wird in den kommenden Jahrzehnten eher mehr als weniger davon brauchen. Nicht nur daher gibt es kontroverse Debatten um Steuererhöhungen, insbesondere auf Erbe und Vermögen. Reicht z.B. das Geld, welches der Staat durch Steuern einnimmt, zur Haushaltsdeckung nicht aus, hat dieser noch die Gelegenheit, Kredite aufzunehmen. Daher die kontroverse Debatte in Deutschland um die Zukunft der Schuldenbremse. Bei all den Streitigkeiten wird jedoch ein Thema oftmals relativ wenig beleuchtet. Und das, obwohl es vermutlich einen großen Konsens darüber in Politik und Gesellschaft gibt: das Thema der Steuerhinterziehung und -vermeidung. Der Finanzierungsbedarf, und damit auch das gesellschaftliche Konfliktpotenzial um die genannten Themen, wären vermutlich signifikant geringer, wenn tatsächlich alle Personen und Unternehmen die Summen an den jeweiligen Staat überweisen würden, die sie auch überweisen sollten. In den vergangenen Jahren ist jedoch immer wieder durch Leaks bekannt geworden, wie vor allem sehr wohlhabende Personen und Unternehmen es schaffen, ihre steuerlichen Verpflichtungen zu umgehen oder deutlich zu verringern. Interessanterweise oftmals sogar legal.

Geleakte Briefkästenfirmen

Da gab es zunächst einmal die Panama Papers, die die Machenschaften des panamaischen Offshore-Dienstleisters Mossack Fonseca offenlegten. Es geht dabei, wie auch bei den meisten anderen Leaks, um Geschäfte mit sogenannten Briefkastenfirmen. Diese existieren nur auf dem Papier und betreiben kein aktives Geschäft. Berechtigterweise könnte man sich nun fragen, wozu man solche Briefkastenfirmen dann überhaupt braucht. Aber tatsächlich haben sie erheblichen Einfluss auf die globalen Finanzströme. Eine Briefkastenfirma ist oft Teil eines verschachtelten Unternehmensnetzwerks. Sie werden also gegründet, um die Nachverfolgung der Geldströme zu verkomplizieren. Und zusätzlich verbergen sie den realen Standort des Unternehmens und dessen Eigentümers. Meistens werden sie in sogenannten Steueroasen gegründet, also in Ländern mit sehr niedrigen Steuern. Für die Briefkastenfirma gilt dann das Steuerrecht dieses Landes. Um das Ausmaß deutlich zu machen: Allein Mossack Fonseca verwaltete mehr als 200.000 Briefkastenfirmen. Lediglich die Auswertung der Leaks hat den öffentlichen Kassen weltweit mehr als 72 Mio. € eingebracht, die ihnen ansonsten verwehrt geblieben wären. Wir reden hier also über enorme Summen, welche die Staaten verlieren. Viele prominente Personen sind an solchen Praktiken beteiligt und die Leaks offenbarten teilweise auch sehr brisante Verbindungen.

Nicht lange nach den Panama Papers wurden die Paradise Papers öffentlich. Dadurch wurden unter anderem indirekte Verbindungen zwischen dem US-Handelsminister und dem Kreml öffentlich. Aber auch die Beteiligung deutscher Vermögensbesitzer wurde bekannt. 

Das bisher größte Leak erfolgte 2021 mit den Pandora Papers. Hier wurden unter anderem die Tätigkeiten der Familie des amtierenden aserbaidschanischen Präsidenten öffentlich, die wohl großes Gefallen am Immobilienmarkt im Vereinigten Königreich gefunden hat.

Gesellschaftliche Probleme

Insgesamt gibt es unglaublich viele dubiose Geschäfte, die durch die Leaks veröffentlicht wurden. Eine fantastische Arbeit der international kooperierenden Investigativjournalisten, die dafür verantwortlich sind und über Jahre recherchiert haben. Insgesamt zeigt sich aber, dass der Umgang mit Steueroasen und Offshore-Geschäften eine weitere enorme Herausforderung der Globalisierung darstellt, die es zu bewältigen gilt. Denn diese Praktiken, die primär auf der Schaffung von Briefkastenfirmen beruhen, führen zur Bildung einer Parallelstruktur in der Welt, in der für reiche Eliten andere Bedingungen gelten als für den Großteil der Bevölkerung. Sie spielen ihr eigenes Spiel, indem sie möglichst große Intransparenz schaffen und Steuern umgehen. Das ist auf der einen Seite einfach offensichtlich unfair und auf der anderen Seite sehr gefährlich für Demokratien, da dadurch ein enormer Vertrauensverlust in die staatlichen Institutionen entstehen kann. Von dem Einkommensverlust von Staaten ganz zu schweigen.

Lese- und Medienempfehlungen:

Ein Hebel zur Lösung: Verbesserung der Steuerfahndung

Was lässt sich nun also tun? Wie so oft gibt es nicht die eine einfache Lösung. Der ehemalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble verglich die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuervermeidung mit einer Hydra. Diese ist ein vielköpfiges Ungeheuer der griechischen Mythologie. Wenn sie einen Kopf verliert, wachsen ihr zwei neue nach. Steuervermeider und Steuerhinterzieher finden also immer wieder neue Tricks, um ihr Geld vor der Öffentlichkeit zu verstecken. Naheliegend wäre der Gedanke: Warum verbieten wir nicht einfach Briefkastenfirmen? Auch wenn es Forderungen danach gibt, so ist dies in der Praxis sehr kompliziert. Denn das ginge nur über internationale Abkommen, an denen sich Steueroasen vermutlich nicht beteiligen würden.

Was man allerdings sowohl in Deutschland, als auch in ganz Europa machen könnte, ist Folgendes: Einen massiven Ausbau der Steuerfahndungsbehörden vorantreiben. Denn diese kämpfen oftmals als Außenseiter gegen die sehr wohlhabenden Verdächtigen mit all ihren Ressourcen und Anwälten. Die Behörden müssen mindestens dazu in der Lage sein, diesen auf Augenhöhe zu begegnen. Das darf nicht an Dingen wie Personalmangel und fehlender internationaler Kooperation scheitern. Spätestens mit dem Bekanntwerden der Steuergeschäfte rund um Cum-Ex und Cum-Cum wird deutlich, wie mangelhaft die deutsche Steuerfahndung in der Bekämpfung nationaler und internationaler Steuerhinterziehungskonstrukte ausgerüstet ist. Doch wo liegen die Probleme?

Deutschland & der Föderalismus

Artikel 20, Absatz 1 des Grundgesetzes regelt die Struktur unseres Landes: "Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat." Dieser Föderalismus regelt die Kompetenzen zwischen Berlin und den Landeshauptstädten. Für die Steuergesetzgebung besteht die Aufgabenteilung darin, dass der Bund Gesetze beschließt, welche dann in den Bundesländern ausgeführt werden sollen. Neben zahlreichen Vorteilen dieser Architektur stehen jedoch auch Nachteile. Einer davon ist, dass die Zusammenarbeit zwischen Bundes- und Landesbehörden nicht effizient ist, da sie juristisch voneinander getrennt sind. Auch sind Kompetenzen nicht immer eindeutig geregelt, was nationale und internationale Fahndungen erschwert. Der Bundesrechnungshof (BRH) führt bestimmte Mängel im Steuervollzug ebenfalls auf den Föderalismus zurück.

Fachkräftemangel im Steuervollzug

Damit jeder rechtmäßig Steuern abführt, braucht es Personal in den Bundes- und Landesfinanzbehörden, welches Bescheide ausstellt. Der BRH fordert schon seit Jahrzehnten, mehr Planstellen in den Steuerbehörden zu schaffen. Leider funktioniert dies nicht: Das Steuerrecht wurde im Laufe der Jahre immer komplizierter, aber es wurden kaum neue Stellen geschaffen, sodass den Sachbearbeiter:innen immer weniger Zeit pro Fall bleibt. Ein ähnliches Muster zeigt sich bei der Entwicklung der Bundesbetriebsprüfung, die entweder eigenständig nationale Prüfungen durchführt oder an den Außenprüfungen der Länder mitwirkt. Bereits 2004 schlugen Experten des Bundesfinanzministeriums (BMF) Alarm, dass die Bundesbetriebsprüfung ihrem Auftrag nicht gerecht wird. Damals sollten zu den rund 100 Prüfer:innen 500 zusätzliche Stellen geschaffen werden. Fast 20 Jahre später zeigt sich, dass nicht einmal die Hälfte der vereinbarten Landesprüfer zum Bund gewechselt ist. Dabei sind Betriebsprüfer:innen und Prüfer:innen generell gewinnbringend: Der Vorsitzende der Steuergewerkschaft schätzt, dass jede/r Prüfer:in 1,5 Mio. € an zusätzlichen Steuereinnahmen eintreiben. Auch andere Behörden, wie etwa der Zoll, leiden seit Jahren an personellen Engpässen.

Hohe Hürden

Es gibt viele verschiedene (Finanz-)Behörden, die in bestimmten Fällen, etwa bei internationalen Steuerdelikten wie Cum-Ex oder den Panama-Papers, zusammenarbeiten müssen. Dabei treten immer wieder Mängel auf. Behörden bestehen auf ihre Datenhoheit, äußern Bedenken über den Datenschutz oder sind einfach nicht in der Lage, Daten sicher zu übermitteln, weil die technische Infrastruktur fehlt. Ein besonders skurriles Beispiel ist, dass sich zwei Mitarbeiter verschiedener Behörden trafen, um einen USB-Stick mit sensiblen Daten persönlich zu übergeben, um einen Datenaustausch zu ermöglichen. Der Inhalt wurde schließlich ausgedruckt und wieder manuell erfasst. Dieses extreme Beispiel verdeutlicht die hohen Hürden, auf die Behörden beim Datenaustausch stoßen. Es gibt keine gemeinsame bundesweite Datenbank und obwohl einzelne Ermittlungsgruppen projektmäßig zusammenarbeiten, werden getrennte Datenbanken eingesetzt. All das verzögert die Steuerfahndung. Bescheide werden verspätet ausgegeben und im schlimmsten Fall verjähren die Ansprüche.

Fazit

Bereits 1993 stellte der BRH fest, dass die Steuerverwaltung in Deutschland Schwierigkeiten hat, ihrem Auftrag nachzukommen. Genau 30 Jahre später scheinen die Strukturen noch immer unzureichend zu sein. Es fehlt an Personal und die organisatorische Zusammenarbeit ist kompliziert. Der Föderalismus trägt seinen Teil dazu bei. Zahlreiche Institutionen deuten immer wieder auf diese Schwachstellen und Fehler hin. Vom zuständigen Finanzministerium werden tiefgreifende Reformen nur zögerlich angegangen. Da das BMF in den letzten Legislaturperioden von der Union zur SPD und nun zur FDP gewechselt ist, kann man davon ausgehen, dass es sich nicht um ein parteipolitisches, sondern um ein tiefgreifendes, strukturelles Problem handelt.

Doch das können wir uns schlichtweg einfach nicht leisten. Der britische Steuerexperte Richard Murphy schätzte den EU Tax Gap (basierend auf Daten von 2015) auf etwa 825 Mrd. € pro Jahr. Wir brauchen dieses Geld dringend für Zukunftsinvestitionen. Lasst uns den Steuerbehörden die Werkzeuge geben, die sie brauchen, damit sie dieses Geld dorthin bringen können, wo es hingehört.

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